Multi-Tenant vs. Single-Tenant TMS: Welches Deployment-Modell rechnet sich für deutsche Unternehmen 2025 wirklich?
Deutsche Unternehmen stehen vor einer Entscheidung, die ihre TMS-Landschaft für die nächsten Jahre prägen wird. Bis Juli 2027 müssen EU-Mitgliedstaaten elektronische Frachtdaten über zertifizierte eFTI-Plattformen akzeptieren, während sich der TMS-Markt durch Großakquisitionen wie Körbers Übernahme von MercuryGate rasant konsolidiert. Die Wahl zwischen Multi-Tenant-SaaS und Single-Tenant-Deployments entscheidet über Compliance-Readiness, versteckte Kosten und langfristige Wettbewerbsfähigkeit.
Multi-Tenant und Single-Tenant TMS – Die fundamentalen Unterschiede verstehen
Multi-Tenant-Architekturen teilen sich eine einzige Softwareinstanz zwischen mehreren Kunden, während Single-Tenant-Systeme jeder Organisation dedizierte Ressourcen zuweisen. Bei Multi-Tenant dient eine einzige Software-Anwendung mehreren Mandanten gleichzeitig, wobei die Daten jedes Mandanten isoliert und unsichtbar für andere bleiben.
Viele deutsche Unternehmen verwechseln jedoch "Cloud-gehostet" mit echtem SaaS. Ein auf Azure betriebenes SAP TM bleibt Single-Tenant, auch wenn es in der Cloud läuft. MercuryGates multimodale, SaaS-basierte TMS-Lösung hingegen repräsentiert echte Multi-Tenancy, ebenso wie Lösungen von Transporeon oder Cargoson.
Die Architektur-Entscheidung beeinflusst nicht nur die IT-Kosten, sondern auch die Geschwindigkeit, mit der neue Features und Compliance-Anforderungen umgesetzt werden. Bei Multi-Tenant ist der Software-Anbieter für Updates und Patches verantwortlich, neue Features werden einmal implementiert und allen Kunden zur Verfügung gestellt.
Die versteckten Kostenkomponenten bei TMS-Deployment-Entscheidungen
Ein mittelständisches Logistikunternehmen kalkulierte kürzlich 180.000 Euro für eine On-Premise-TMS-Lizenz – und übersah dabei Infrastruktur, Personal und Wartung. Die realen Total-Cost-of-Ownership steigen schnell auf über 350.000 Euro im ersten Jahr.
Multi-Tenant-Architekturen bieten niedrigere Kosten, da der Software-Anbieter mehrere Mandanten von einer einzigen Anwendungsinstanz bedienen kann. Single-Tenant erfordert dagegen:
- Dedicated Hardware und VM-Ressourcen
- Separate Backup- und Disaster-Recovery-Systeme
- Individuelle Update-Zyklen mit Downtime
- Höheren IT-Personalaufwand für Wartung
Multi-Tenant-SaaS verteilt diese Kosten auf alle Nutzer. Der primäre Vorteil des Multi-Tenant-Cloud-Modells liegt in Kosteneinsparungen, da Infrastruktur-Investitionen und Wartungsaufwand geteilt werden.
Deutsche Unternehmen zahlen für Multi-Tenant-TMS typischerweise 50-150 Euro pro User/Monat, während Single-Tenant-Lizenzen plus Infrastruktur oft 200-400 Euro pro User/Monat erreichen.
eFTI-Readiness als Entscheidungsfaktor für die TMS-Architektur
Bis September 2025 plant die Kommission, die verbleibenden eFTI-Implementierungsspezifikationen zu verabschieden. Ab Januar 2026 können eFTI-Plattformen mit dem Betrieb beginnen und Mitgliedstaaten dürfen Daten von zertifizierten Plattformen für Inspektionen akzeptieren.
Multi-Tenant-Anbieter haben einen entscheidenden Vorteil: Sie können eFTI-Compliance zentral implementieren und sofort allen Kunden bereitstellen. Körber/MercuryGate beispielsweise entwickelt eFTI-Funktionen einmal und rollt sie automatisch aus. Single-Tenant-Kunden müssen dagegen individuelle Updates planen, testen und implementieren.
Die geschätzten Kosteneinsparungen von bis zu 1 Milliarde Euro pro Jahr für den EU-Transport- und Logistiksektor entstehen hauptsächlich durch standardisierte, digitale Prozesse. Multi-Tenant-Systeme können diese Standards schneller und einheitlicher umsetzen.
Deutsche Verlader sollten ihre TMS-Anbieter nach konkreten eFTI-Roadmaps fragen. Oracle TM, Transporeon und Cargoson haben bereits eFTI-Pilotprojekte gestartet, während viele Legacy-Anbieter noch Konzepte entwickeln.
Skalierbarkeit und AI-Integration: Warum Multi-Tenancy die Zukunft bestimmt
Multi-Tenant-Umgebungen aggregieren Daten tausender Unternehmen und ermöglichen AI-Training, das für einzelne Organisationen unmöglich wäre. Multi-Tenancy-Architekturen ermöglichen effizienten Einsatz von Computer- und Hardware-Ressourcen, wobei Kosten für Wartung und Infrastruktur auf mehrere Kunden verteilt werden.
Während Single-Tenant-Systeme auf die Daten eines Unternehmens beschränkt bleiben, lernen Multi-Tenant-AI-Modelle aus Millionen von Sendungen, Routen und Optimierungsszenarien. Diese Datenaggregation führt zu präziseren Prognosen für Lieferzeiten, Kosten und Risiken.
Mandanten können bedarfsgerecht skalieren, neue Nutzer erhalten Zugang zur gleichen Instanz, typischerweise gegen einen zusätzlichen Abonnement-Aufpreis. Dies ist besonders relevant für deutsche Mittelständler mit volatilen Sendungsvolumen.
Die Körber/MercuryGate-Kombination zeigt, wie Multi-Tenant-Anbieter Synergien schaffen: Kunden profitieren von Lösungen, die eingehende und ausgehende Supply-Chain-Aktivitäten verbinden und Kosteneinsparungen durch optimierte Warenplatzierung und -weiterleitung ermöglichen.
Sicherheit und Compliance in Multi-Tenant-Umgebungen
Deutsche Unternehmen äußern häufig Bedenken zu Datenisolation in Multi-Tenant-Systemen. Bei einem Sicherheitsvorfall sind in Multi-Tenant-Umgebungen theoretisch alle Kundendaten gefährdet, während Single-Tenant-Systeme Isolation bieten.
Moderne Multi-Tenant-Architekturen verwenden jedoch mehrschichtige Sicherheitskonzepte:
- Mandanten-spezifische Verschlüsselung auf Datenbank-Ebene
- API-Gateway mit individueller Authentifizierung
- Compliance-konforme EU-Rechenzentren (Frankfurt, Amsterdam)
- DSGVO-konforme Datenverarbeitung mit Audit-Trails
Entscheidend ist der Rechenzentrumsstandort. Während US-Anbieter oft globale Multi-Tenant-Instanzen betreiben, bevorzugen deutsche Unternehmen EU-basierte Deployments. Cargoson beispielsweise hostet Multi-Tenant-Instanzen ausschließlich in deutschen Rechenzentren.
GoBD-konforme Archivierung funktioniert in beiden Modellen, erfordert aber unterschiedliche Ansätze. Multi-Tenant-Systeme bieten standardisierte GoBD-Export-Funktionen, während Single-Tenant-Kunden individuelle Archivierungskonzepte entwickeln müssen.
Praxisleitfaden: Die richtige TMS-Architektur für Ihr Unternehmen wählen
Die Entscheidung zwischen Multi-Tenant und Single-Tenant hängt von spezifischen Unternehmensanforderungen ab. Diese Matrix hilft bei der Bewertung:
Multi-Tenant eignet sich für:
- Unternehmen mit 50-5.000 Sendungen/Monat
- Standardisierte Logistikprozesse
- Begrenztes IT-Personal für TMS-Wartung
- Schnelle eFTI-Compliance-Anforderungen
- Kostenorientierte Entscheidungsfindung
Single-Tenant ist sinnvoll bei:
- Hochgradig individuellen Geschäftsprozessen
- Strengen Compliance-Auflagen (Pharma, Chemie)
- Sehr hohen Sendungsvolumen (>10.000/Monat)
- Bestehenden Legacy-Integrationen
- Eigenen IT-Ressourcen für System-Management
Bei der Migration sollten Sie phasenweise vorgehen. Beginnen Sie mit nicht-kritischen Prozessen in Multi-Tenant-Umgebungen und erweitern Sie sukzessive. Die meisten Anbieter unterstützen Hybrid-Ansätze während der Übergangszeit.
Zukunftsausblick: TMS-Marktkonsolidierung und strategische Positionierung
Die MercuryGate-Übernahme gehört zu den größten Akquisitionen in der Supply-Chain-Software-Branche 2024 und erhöht Körbers Jahresumsatz um etwa 25 Prozent. Diese Konsolidierung verstärkt den Trend zu Multi-Tenant-Plattformen mit breiteren Funktionsumfängen.
Neue Marktteilnehmer setzen ausschließlich auf Multi-Tenant-Architekturen. Legacy-Anbieter müssen ihre Single-Tenant-Systeme modernisieren oder verlieren Marktanteile an agile SaaS-Konkurrenten.
Für deutsche Unternehmen bedeutet dies: Vendor-Lock-in-Risiken minimieren durch offene API-Standards und standardisierte Datenformate. QR-Code-Generierung und maschinenlesbare Formate werden bis Juli 2027 für alle Sendungen über alle Transportmodi verpflichtend.
Die eFTI-Deadline katalysiert den Wandel zu Multi-Tenant-Systemen. Unternehmen, die bis 2026 nicht migriert haben, riskieren erhebliche Compliance-Gaps und höhere Implementierungskosten unter Zeitdruck.
Die strategische Positionierung ist klar: Multi-Tenant-TMS bieten deutschen Unternehmen bessere Skalierbarkeit, niedrigere TCO und schnellere Compliance-Umsetzung. Single-Tenant bleibt für Spezialfälle relevant, aber die Zukunft gehört mandantenfähigen SaaS-Lösungen mit deutscher Datenresidenz.